Nur 30 Prozent der Unternehmen im Wallis scheinen wachsen zu wollen. Die anderen setzen auf Stagnation oder Umstrukturierung – das ist doch eine eher «schlechte» bis «düstere» Zahl – alle Zeichen auf Sicherheit statt Risiko?
Im Bereich der Strategiesetzung hängt natürlich vieles auch von der jeweiligen Branche und der Grösse des Betriebes ab. Ein kleiner, florierender Handwerksbetrieb mit einer Handvoll Beschäftigter, wie dies 95 Prozent der Oberwalliser Unternehmen ausmachen, wird kaum dieselben Ziele verfolgen wie ein international ausgerichtetes Hightech-Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden.
Hat auch Corona damit zu tun?
Könnte sein. Auf die je nach Sektor teils sehr einschneidende Corona-Krise und die angespannte globale Lage folgte eine vielleicht eher vorsichtigere Phase. Bei Neuorientierung und Neustarts rückt oftmals das Thema Stabilisierung und Qualitätssicherung in den Vordergrund.
Aber sind 30 Prozent nicht ein schlechtes Zeichen für den Kanton?
Das lässt sich nur schwer abschätzen, ohne konkrete Vergleiche zu anderen Regionen zur Hand zu haben. Immerhin praktisch jedes dritte der befragten Walliser Unternehmen setzt auf einen Wachstumskurs. Sehr erfreulich sind in diesem Zusammenhang insbesondere die zahlreichen Jungunternehmen, die in den letzten Jahren im Oberwallis entstanden sind. Allein im Jahr 2023 sind erneut weit über 400 neue Unternehmen im hiesigen Handelsregister eingetragen worden.
Dann scheint unternehmerische Aktivität im Oberwallis gut und vielfältig.
Wenn man beispielsweise nur schon die rund 100 Mitglieder des Wirtschaftsforums anschaut, zeigt sich ein überraschend breites Spektrum. Sicher ist das Oberwallis eher dienstleistungslastig, wenn man etwa an den starken Tourismussektor und seine Vielzahl an Betrieben denkt. Hervorheben lässt sich auch der Bausektor, welcher vom aktuellen Boom und den Investitionen in die Infrastruktur profitiert. Schön ist es zudem zu sehen, dass in den letzten Jahren viele Jungunternehmen entstanden sind, welche in neuen, innovativen Branchen grossartige Initiativen und Ideen umsetzen und sich etablieren. Man kann zweifellos behaupten, dass das Oberwallis mit seinen bestehenden und neuen Unternehmen an Innovation gewonnen hat und noch gewinnen wird.
Welche kommen Ihnen konkret in den Sinn?
Hier eine Aufzählung zu wagen, ist aus Sicht des Wirtschaftsforums Oberwallis vermessen. Wir haben über 100 Unternehmer und Unternehmerinnen, die Vereinsmitglieder sind. Viele bringen sich an Veranstaltungen und in den Themenbearbeitungen aktiv ein. Die Innovation und das vorausschauende Denken spüre ich vor allem im Ideenaustausch, in den wertvollen Impulsen und dem vernetzten Vorangehen.
Gute Zeichen für die Oberwalliser Wirtschaft. Wie denken Sie, wird sich diese entwickeln?
Momentan läuft die Wirtschaft gut, dies wird auch von verschiedenen Wirtschaftsbarometern bestätigt. Trotz der aktuellen positiven Entwicklung ist man sich bewusst, dass dieser Rhythmus nicht andauernd so weitergehen kann und wird. Der Grossteil der Unternehmen ist gut aufgestellt und die Unternehmerinnen können mit solchen Veränderungen umgehen.
Inwiefern spielt der Typ «Oberwalliserin, Oberwalliser» dabei eine Rolle?
Unsere Bodenständigkeit, Anpassungsfähigkeit und unser Unternehmergeist sowie die Motivation und Veränderungsbereitschaft der Arbeitnehmer werden bei den Veränderungen helfen. Davon bin ich überzeugt. Hinzu kommt, dass die aktuellen Investitionen in der Region auf einen langen Horizont ausgerichtet sind und die Vielfalt der Oberwalliser Unternehmen für eine positive Entwicklung der Region sorgt.
Unsere Bodenständigkeit, Anpassungsfähigkeit und unser Unternehmergeist sowie die Motivation und Veränderungsbereitschaft der Arbeitnehmer werden bei den Veränderungen helfen.
Letztens sorgte der Verkauf der Bergbahnen an ausländische Investoren für Schlagzeilen. Es meldeten sich zwar auch lokale Unternehmer, aber bislang blieb es lediglich beim Flirten. Wünschten Sie sich mehr Engagement der hiesigen Unternehmer?
Die Tourismus- und Seilbahnunternehmen gehören zu einer bedeutenden, sehr komplexen Wirtschaftsbranche und wir haben uns mit dieser nicht umfassend befasst.
Denken Sie, lokale Unternehmer sollten generell noch mehr Initiative ergreifen?
Wir haben im Oberwallis sehr viele initiative Unternehmerinnen und Unternehmer, welche ihr Unternehmen mit viel Herzblut und Engagement führen und weiterentwickeln. Neben der kantonalen Wirtschaftsförderung bestehen auf regionaler Ebene überdies verschiedene Netzwerke, wie beispielsweise das Netzwerk Gewerbe Oberwallis oder das Wirtschaftsforum Oberwallis. Mit ihnen ist es möglich, in der Region, aber auch auf kantonaler Ebene Impulse zu setzen. Beim Wirtschaftsforum sind wir aktuell beispielsweise daran, bestimmte Themenfelder und Herausforderungen durch Arbeitsgruppen zu bearbeiten. Eine Aufgabe des Forums kann es künftig in diesem Zusammenhang auch sein, politisch stärker Einfluss zu nehmen, sofern dies die Unternehmen auch wünschen.
Die meisten Unternehmen geben an, dass die Administration in vielen Bereichen umfangreicher wird. Das macht die Zukunft schwieriger. Was könnte dagegen getan werden?
Mit der zunehmenden Datenflut, Bürokratie und Reglementierung zielorientiert umzugehen, ist kein einfaches Unterfangen und bleibt eine grosse Herausforderung. Für alle Beteiligten, und das nicht nur im Wallis. Neben der politischen Perspektive sehe ich eine technologische und eine menschliche Perspektive.
Wie meinen Sie das?
Einerseits wird uns KI künftig dabei helfen können. Andererseits ist auch gesunder Menschenverstand gefragt, um aufwendige interne und externe bürokratische Prozesse zu vereinfachen.
Gefordert wäre aber auch die Politik.
Die zunehmende Bürokratie und komplexer werdende Dossiers sind tatsächlich eine Herausforderung für die Wirtschaft, die immer mehr Ressourcen in Anspruch nimmt. Aber nicht nur für die Wirtschaft. Es ist meines Erachtens ein allgemeines Phänomen, dass die Ansprüche der Gesellschaft steigen. In der jüngeren Vergangenheit war und ist die Vereinfachung von Rahmenbedingungen auf verschiedenen politischen Ebenen Thema, was sehr zu begrüssen ist und unbedingt weiterverfolgt werden muss.
Was fordern Sie konkret?
Politik ist nicht mein Spezialgebiet. Wir haben im Wallis eine Reihe motivierter Unternehmer und Unternehmerinnen, welche sich politisch im Grossen Rat, in den Gemeinden und in politischen Ämtern aktiv einbringen und engagieren. Im Wirtschaftsforum haben wir vor Kurzem mit der neuen Strategie begonnen, nämlich Wirtschafts- und Unternehmensthemen zu bearbeiten – darum haben wir auch den Blog des Wirtschaftsforums aufgebaut. Sicher werden dort künftig vermehrt konkrete Forderungen und Erwartungen aus der Oberwalliser Wirtschaft zu hören ein.
In der Umfrage stellt sich auch heraus, dass eines von fünf Unternehmen den wirtschaftlichen Stand von vor Covid noch nicht wieder erreicht hat. Sind das nicht zu viele?
Wünschenswert wäre selbstverständlich, dass fünf von fünf Unternehmen den Vor-Corona-Stand wieder erreicht hätten. Es ist aber wohl auch eine Frage des Blickwinkels. Immerhin haben es vier von fünf Unternehmen gemäss Umfrage geschafft. Eine genauere Analyse der betroffenen Unternehmen ist nötig. Zudem ist kaum davon auszugehen, dass 100 Prozent der Firmen vor der Krise völlig problemlos unterwegs waren.
Wo sehen Sie die Oberwalliser Wirtschaft in zehn Jahren?
Die Oberwallis Wirtschaft wird in zehn Jahren vom grössten Biotech-Standort Europas und den besten alpinen Tourismusorten geprägt sein und Zigtausende KMU werden an Innovationen und pragmatischen Lösungen im Alltag arbeiten.
Dieser Beitrag ist ursprünglich im «Walliser Boten» erschienen.